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19.11.2024

6. TherapieGipfel: Heilmittelverbände stellen Positionspapier vor und diskutieren zentrale Forderungen

Am 13. November 2024 fand in Berlin der 6. TherapieGipfel des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV) e. V. statt. Das Motto des diesjährigen TherapieGipfels lautete: „Gesundheit wählen! Die Zukunft der Therapie im Wahljahr 2025“. Das Motto stand schon lange fest, doch angesichts der politischen Entwicklungen und der vorgezogenen Bundestagswahlen entwickelte es noch einmal eine ganz besondere Relevanz.

Starke Gemeinschaft mit klaren Botschaften an die Politik.

Rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Heilmittelbranche fanden sich ein im Historischen Saal des Langenbeck-Virchow-Hauses, um die dreistündige Podiumsdiskussion zu verfolgen, zu der die SHV-Vorsitzenden Gäste aus Politik und Verwaltung eingeladen hatten.

Eröffnet wurde die Veranstaltung vor vollen Rängen vom SHV-Vorsitzenden Andreas Pfeiffer, der in seinen einführenden Worten darauf einging, was der SHV in den vergangenen zehn Jahren erreicht hat: den Wegfall der Grundlohnsummenbindung, die Einführung bundeseinheitlicher Vergütungen, die Möglichkeit von Schiedsverfahren oder auch die Einführung der Videotherapie. Allesamt Fortschritte, aber zentrale Forderungen, die der Schlüssel für eine bessere Gesundheitsversorgung sind, bleiben bestehen. Pfeiffer verwies an dieser Stelle auf die acht Punkte des umfassenden Positionspapiers, das auf der Pressekonferenz am gleichen Tag vorgestellt wurde, insbesondere auf die beiden Themenbereiche, die in der nachfolgenden Podiumsdiskussion besonders beleuchtet werden sollten: Mehr Autonomie für Heilmittelerbringende und Bürokratieabbau.

In dem folgenden Impulsreferat gab Prof. Dr. PH Melanie Messer (Leitung des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Würzburg) einen Einblick in ausgewählte Aspekte des Gutachtens des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege und die daraus resultierenden Empfehlungen, um die Fachkräftesituation zu verbessern. Alle ihre Empfehlungen zielen darauf ab, Fachkräfte effizienter einzusetzen und zu steuern, denn die bloße Erhöhung von Personal sei nicht die Lösung. Geeignete Steuerungsinstrumente seien vielmehr eine interprofessionell vernetzte Versorgung und eine Modernisierung der Aufgaben. Alles Aspekte, die zwar vorrangig für die Situation in der Pflege untersucht wurden, sich ihrer Aussage nach aber auf den Heilmittelbereich übertragen ließen.

„Autonomie mit Zäunchen“

Nach diesen einführenden Statements übernahm Sabine Rieser die Moderation für den ersten Teil der Podiumsdiskussion, in dem insbesondere die Themen „Blankoverordnung“ und „Direktzugang“ in den Fokus genommen wurden. Julius Lehmann (KBV, Abteilungsleiter Veranlasste Leistungen) und Christoph Zamoryn (GKV-Spitzenverband, Fachreferent Heilmittel) positionierten sich zu den Forderungen der stv. SHV-Vorsitzenden Frauke Kern (dbl, i.V. für Dagmar Karrasch), Manuela Pintarelli-Rauschenbach (VPT) und Ute Repschläger (IFK).

Einen großen Raum nahm die Diskussion der in Physio- und Ergotherapie eingeführte Blankoverordnung ein. Von Teilen der Ergo- und Physiotherapieverbände wurde sie begrüßt und als Schritt hin zu mehr Autonomie angesehen. Die Verbände appellierten aber auch an die Ärzte, verantwortungsvoll mit der Erwartungshaltung ihrer Patientinnen und Patienten umzugehen. Die Vertreter von KBV und GKV-SV sehen die Blankoverordnung ebenfalls als guten Schritt, der GKV-SV möchte die weitere Entwicklung jedoch erst einmal beobachten und evaluieren, bevor möglicherweise die Diagnosen, für die die Blankoverordnung ausgestellt werden kann, ausgeweitet werden.

Für die Logopädie wäre die Blankoverordnung aus Sicht der im SHV vertretenen Logopädie-Verbände kein Fortschritt, da in der Logopädie bereits die Möglichkeit der eigenen Diagnostik besteht, die Methodenwahl bei der Therapeutin selbst liegt und auch Frequenz und Dauer in Absprache mit der Ärzteschaft veränderbar sei. Sie fordern den Direktzugang, um Patientinnen, Patienten und deren Angehörige beraten, diagnostizieren und therapieren zu können, ohne dass die Versicherten als erstes den Weg über die Arztpraxis gehen müssen. Eine Hand-in-Hand Arbeit auf Augenhöhe zwischen Therapeutin und Ärzteschaft würde hierbei gewünscht.

Deutlich wurden die unterschiedlichen Auffassungen im Hinblick auf den Direktzugang: Während alle Heilmittelverbände eine Einführung des Direktzugangs als einen wichtigen Schritt unbedingt befürworten, beurteilten die anwesenden Vertreter von GKV-Spitzenverband und KBV den Direktzugang erwartungsgemäß äußerst kritisch. Ihrer Meinung nach sollen erst einmal mit der in Physio- und Ergotherapie eingeführten Blankoverordnung Erfahrungen gesammelt werden, bevor man die Autonomie für die Heilmittelerbringer ausweitet. Die Heilmittelerbringer entgegneten jedoch in der Diskussion, dass es sich bei Blankoverordnung und Direktzugang um verschiedene Versorgungsformen handelt und diese Themen daher nicht verbunden werden können.

An dieser Stelle konnte sich das Publikum mit eigenen Fragen und Meinungen einbringen und konfrontierte das Podium mit Erfahrungen aus dem Praxisalltag.

Die Moderatorin konstatierte zusammenfassend, es scheine im Moment noch nur eine „Autonomie mit Zäunchen“ zu geben.

Mehr Therapeuten am Patienten und nicht am Schreibtisch!

Wartezeiten von drei bis sechs Wochen, verzweifelte Patientinnen und Patienten, die nach Hausbesuchen fragen, Überforderung von pflegenden Angehörigen, die sich um ihre aufgrund immer kürzer werdenden Krankenhausaufenthalten nicht mobilen Angehörigen sorgen… All dies sind Szenarien, die schon heute Realität in vielen Heilmittelpraxen sind, berichtete Andrea Rädlein (Physio Deutschland) in ihrem Eingangsstatement zum zweiten Teil der Podiumsdiskussion, die sie gemeinsam mit Trotz einer parallel stattfindenden Anhörung des Gesundheitsausschusses konnten es zeitweise auch Saskia Weishaupt (MdB-Bündnis90/Die Grünen) und gegen Ende Christian Bartelt (MdB-FDP) einrichten, sich an der Diskussion zu beteiligen.

Es muss etwas passieren! Diese Aussage hätten vermutlich alle Anwesenden unterschrieben. Dass Bürokratieabbau zur Entlastung in den Praxen führen würde, ist unbestritten. Nur wie? „Weniger Papier, mehr Gesundheit – Wege zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen“ – dazu tauschte sich das Podium aus. Die bekannten Brandthemen Zuzahlungseinzug, Absetzungen wegen Formfehlern, Prüfpflicht: Alles wurde mit zahlreichen Beispielen – auch aus dem Publikum – belegt und zeigte die Notwendigkeit, hier dringend und zeitnah etwas zu ändern. Wer hat welche Kompetenzen und wer hat welche Aufgabe? Beispiel Zuzahlungseinzug: Wer macht’s? Bislang liegt die Aufgabe bei den Praxen. Aus Sicht der Verbändevertreter müssen die Praxen von dieser Aufgabe entlastet werden, denn ihre Kernkompetenz ist die Therapie an den Patienten. Sollten also nicht eher die Institutionen, bei denen die Verwaltungskompetenz liegt – nämlich bei den Krankenkassen – diese Aufgabe übernehmen? Der GKV-Vertreter sah dies nicht so, seiner Meinung nach solle der Einzug dort erfolgen, wo die Leistung erbracht werde. Die Prüfpflicht gehöre seiner Meinung nach ebenfalls in die Hände der Leistungserbringenden. Hier gab es von Seiten der SHV-Verbände den Einwurf, dass derjenige, der für die fehlerhafte Ausstellung die Verantwortung trägt – sei es die Arztpraxis oder der Softwareanbieter – auch für den Fehler und dessen Berichtigung geradestehen müsse. Dass die Selbstverwaltung den Ball an die Therapeutinnen und Therapeuten einfach wieder zurückspiele, sei kritisch. An dieser Stelle brachte der KBV-Vertreter noch einmal die Möglichkeit eines Runden Tisches ein, an dem man gemeinsam alle Prozesse hinterfragen und an einer Lösung arbeiten könne.

Saskia Weishaupt betonte, dass aus ihrer Sicht der Fokus im Gesundheitsbereich auf der Ärzteschaft und dem Pflegebereich liegt. Ebenfalls wichtige Berufsgruppen – wie die im Heilmittelbereich, die wichtige Versorgung sicherstellen – würden zu Unrecht vergessen.

Der Wahlkampf hat begonnen

Es wurde offensichtlich, dass in Sachen Bürokratieabbau noch dicke Bretter zu bohren sind. Die Hürden im Praxisalltag, die in einzelnen Wortmeldungen aus dem Publikum eindrücklich geschildert wurden, müssen beseitigt werden, sodass am Ende wieder mehr Zeit für die Arbeit am Patienten bleibt. Dafür braucht es eine Strategie. Einen ersten Aufschlag hat der SHV mit seinem Positionspapier gemacht.

Mit Blick auf den nun anstehenden Wahlkampf appellierte SHV-Vorsitzender Andreas Pfeiffer an die Anwesenden, jetzt die Parteien im eigenen Wahlkreis anzusprechen und auf die Probleme aufmerksam zu machen. „2025 wird unser Jahr! Neue Regierung, neue Chancen.“

Der SHV wird die nächsten Wochen bis zu den Neuwahlen nutzen, um auf die Parteien

zuzugehen und das am gleichen Tag veröffentlichte SHV-Positionspapier „Versorgung neu denken!“ Positionspapier SHV_November 2024_ als Grundlage für die politische Kommunikation einsetzen, damit die darin enthaltenen Forderungen möglichst in den Koalitionsvertrag eingehen.

„Gemeinsam werden wir etwas erreichen“, so das Schlusswort von Andreas Pfeiffer.