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22.09.2006 – Bundesverband

Henner Wenkhausen neuer Sprecher des BundesStudierendenRates

„Wir benötigen dringend eigene Kompetenz akademisch gebildeter Kollegen, die die Evidenzbasierung unseres Tuns vorantreiben können und unser therapeutisches Handeln kreativ weiterentwickeln.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit dem letzten Treffen des BundesStudierendenRates (BStR) am 13. Mai 2006 an der FH Bielefeld bin ich, für mich selbst etwas überraschend, nun der neue erste Sprecher. Zusammen mit der 2. Sprecherin Katja Girbardt (FH Osnabrück) möchte ich unseren Vorgängern Gunnar Geuter und Corinna Weber für all die geleistete Arbeit danken und hoffe, dass wir beide ähnlich engagiert und effektiv wirken werden. Wir werden jedenfalls versuchen, uns an den hohen Standards der Beiden zu orientieren und freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit mit den Delegierten des BStR, den anderen Gremien des ZVK und weiteren Interessenvertretungen wie dem OSGe, der AG MTG, ZIPT und dem Zusammenschluss der Lehrkräfte an den Berufsfachschulen und Fachhochschulen. Katja Girbardt ist im BStR die direkte Ansprechpartnerin für Studienberatung, während ich im Wesentlichen für die Sammlung, Koordination und Artikulation von Beiträgen vom Standpunkt der Studierenden zur Diskussion rund um die Akademisierung / Professionalisierung unseres Berufes zuständig bin. Vita von Henner Wenkhausen Ich bin inzwischen 37 Jahre jung und habe Ende 1998 mein Staatsexamen an der jetzigen Reha Akademie Berlin gemacht. Dort hatte ich das große Glück und Vergnügen unter so engagierten und kompetenten Lehrtherapeuten zu lernen wie Benedikt Bömer (PNF-Reha), Dirk Schmidt („Osteo“-Ortho) und Marlies Schleicher (Kind). Im Rahmen unserer Schülervertretung, des BundesJugend Treffen (Party!), IPSA und dem LV Berlin habe ich meine ersten Gremienerfahrungen gemacht. Mein Entschluss, Erfahrungen im Ausland zu machen, stand damals schon fest, aber trotz bestandener Eignungsprüfung hatte derzeit der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) keine Einsatzmöglichkeit für mich. Mit meiner „License to touch“ bin ich dann mit Ziel Malaysia ausgewandert. Ich hatte Ende 1998 schon mein Rehapraktikum am dortigen Zentralkrankenhaus absolviert und entsprechende Erstkontakte. Die erste Station der insgesamt sieben Jahre Aufenthalt war die Spastic Children’s Association of Penang. Dortige Kurse in NDT-Bobath sowie eine Hospitation in der Kind -Abteilung des Zentralkrankenhauses in Kuala Lumpur halfen dabei, mich für meine Aufgaben vorzubereiten. Im Folgenden habe ich sehr viel von meiner fachlichen Leiterin unseres Early Intervention Programmes, Debbie Orjitham aus Neuseeland, gelernt und auch das Vergnügen, zwei Schülern aus Berlin, die bei uns ein Praktikum leisteten, meinerseits ein wenig zu vermitteln. Am Cerebral Palsy Children’s Recovery Center in ShiJiaZhuang (Hebei, China) habe ich einen Eindruck bekommen, wie hart man an der Habilitation von Kindern mit Zerebralparese (CP) arbeiten kann. Auch einen Einblick in die Entwicklungszusammenarbeit habe ich auf Einladung von Handicap International Laos beim Präsentieren zweier kurzer Einführungskurse in „CP-Management“ gewinnen können (es ist übrigens vor Kurzem eine Stelle dort ausgeschrieben worden!). Nach ein paar Monaten Projekttätigkeit an einem privaten Chiropraktik Zentrum in Kuala Lumpur hatte ich dann das große Glück, am Hospital University Kebangsaan Malaysia (HUKM) für drei Jahre als „Physiotherapy Consultant“ an der Ausgestaltung der neuro-pädiatrischen Dienste mitwirken zu können. Im Kontext des Aufbaus einer multidisziplinären Child Developmental Unit stand die Entwicklung und Durchführung von physiotherapeutischer Intervention nach Gesichtspunkten von „Family centred services“, NDT und Motor Learning (Carr & Shephard). Wertvolle Erfahrungen konnte ich bei Arbeitsbesuchen an Kliniken und anderen Einrichtungen sowie Konferenzen in Hong Kong, Taiwan, Melbourne und Sydney sammeln. Den Abschluss meiner Auslandskarriere bildete ein Engagement bei KidzGrow in Singapur und Kuala Lumpur, einem privaten Zentrum, spezialisiert in der Therapie für Kinder mit Lernbehinderungen. Derzeit studiere ich im Bachelor Studiengang Physiotherapie an der FH Emden, der mit der Möglichkeit unter Prof. Dr. Ruth Haas eine psychomotorische Zusatzqualifikation zu erlangen, meinem fachlichen Schwerpunkt sehr entgegenkommt. Um mein Studium zu finanzieren arbeite ich Teilzeit in einer „Landpraxis“ im Umkreis. Kommentar zur Akademisierung in Deutschland Erst einmal war ich beim Internet Surfen vor etwa einem Jahr total überrascht, wie viel sich innerhalb von kurzen sechs Jahren hier in Deutschland an Studienmöglichkeiten entwickelt hat. Die derzeitige Diversität der Angebote sehe ich dabei durchaus positiv, da wir uns wohl noch im Anfangsstadium des „kreativen Chaos“ befinden. Die Tatsache, dass wir im Europäischen Vergleich das akademische Schlusslicht bilden, finde ich allerdings sehr bedenklich. Dies findet viele Parallelen in anderen deutschen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Strukturen und Verhältnissen, deren „Reformen“ mit wenig Durchsetzungskraft und Effizienz vorangetrieben werden. Um den Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel zu zitieren: „Wir sind alt, müde und satt“ (Spiegel Interview 35/2005, S. 64-65). Es wäre sehr bedauerlich wenn der (noch) hohe Standard unserer fachlichen Kompetenzen weiter erodiert. Am internationalen wissenschaftlichen Diskurs und der Weiterentwicklung der Physiotherapie nehmen wir jedenfalls schon seit langem praktisch keinen Anteil, im krassen Gegensatz zu unseren nächsten Nachbarn wie zum Beispiel den Niederlanden oder Schweden, die hochaktuelle, interessante und international beachtete Beiträge auf diesem Gebiet leisten. Selbst Schwellen- und Entwicklungsländer wie Taiwan, Indien oder die Phillipinen haben höhere Veröffentlichungsraten und allgemeine akademische Qualifikationen in der Physiotherapie vorzuweisen als wir in Deutschland. Dass viele deutsche Studierende als Studienmotivation „Qualifizierung für das Ausland“ nennen, sollte auch sehr nachdenklich stimmen. Im Zuge der weiteren Kosteneinsparungen, Kontraktionen und Professionalisierungszwänge im öffentlichen und privaten Gesundheitssektor benötigen wir dringend eigene Kompetenz akademisch gebildeter Kollegen, die die Evidenzbasierung unseres Tuns vorantreiben können und unser therapeutisches Handeln kreativ weiterentwickeln. Von den Ärzten können wir nicht erwarten, sich um unsere Belange zu kümmern, da gibt es keinen Klinsmann für uns! Dazu benötigen wir eine grundständige Ausbildung auf FH Niveau und eigene Institutionen sowie Fördermöglichkeiten für wissenschaftliches Arbeiten in Deutschland (diese natürlich in enger Kooperation mit der Medizin, der Psychologie, der Sportwissenschaft, der Pädagogik und anderen, auch alternativen Wissenschaften und Heilkünsten). Sonst werden wir uns auch im nächsten Jahrzehnt noch nicht aus der Rolle des ärztlichen Erfüllungsgehilfen emanzipiert haben. Last not least bin ich begeistert, dabei mitwirken zu können, unsere professionelle Entwicklung ein Stück weit voranzubringen und freue mich, dass so viele Kollegen sich produktiv im Rahmen ihrer eigenen Visionen und Mittel hierfür einsetzen. Zusammen für eine lebenswerte Zukunft ! Henner Wenkhausen