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24.10.2011 – Bundesverband

Umsatzsteuer bei physiotherapeutischen Leistungen

Seit einigen Wochen kümmern sich die Finanzämter verstärkt um die Frage, in welchem Umfang die Leistungen unserer Praxen umsatzsteuerfrei sind. Hierzu einige wichtige Kompaktinformationen für ZVK-Mitglieder.

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Grundsätzliche Hinweise:

1. Physiotherapeuten gehören wie Ärzte, Heilpraktiker, Masseure, Ergotherapeuten, Logopäden usw. zu den sogenannten Katalogberufen; sie sind in § 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG ausdrücklich mit der Maßgabe genannt, dass ihre Leistungen umsatzsteuerfrei sind. Zum Hintergrund: Der Verzicht auf die Erhebung von Umsatzsteuer sollte und soll die Sozialkassen entlasten. 2. Im Rahmen dieser Vorschrift sind ausschließlich Heilbehandlungen steuerbefreit, bei denen ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Nicht steuerbefreit sind daher zum Beispiel Honorare von Ärzten für Gutachten, Bescheinigungen usw. Im Heilmittelbereich sind Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne des
 § 20 SGB V nicht steuerbefreit, weil sie „keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben… (und) lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern“. Mehr hierzu unter Ziffer 5.) dieses Artikels. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat so auch in seinem Beschluss vom 28.9.2007 V B 7/06 Massageleistungen, die von einem Physiotherapeuten ohne vorherige ärztliche Anordnung lediglich aus kosmetischen Gründen oder zur Verbesserung des Wohlbefindens („Wellness“) durchgeführt werden, als nicht steuerbefreit angesehen. 3. Die Finanzbehörden vertreten nunmehr die Auffassung, in diesem Zusammenhang sei das entscheidende Kriterium, ob eine ärztliche Verordnung vorliege oder alternativ Leistungen im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht werden. Anschlussbehandlungen („grünes Rezept“) sollen dagegen nicht als steuerfreie Heilbehandlung anzusehen sein, weil es sich hierbei lediglich um Präventionsmaßnahmen handele. 4. Diesen Feststellungen kann nur teilweise gefolgt werden: a) Unstreitig ist es, dass ärztlich verordnete Heilmittelleistungen sowie Leistungen im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme umsatzsteuerbefreit sind. b) Ebenso unstreitig ist es, dass Wellnessmaßnahmen umsatzsteuerpflichtig sind. c) Dagegen ist der Umkehrschluss, dass jede Heilmittelleistung, die ohne ärztliche Verordnung von Heilmittelerbringern erbracht wird, umsatzsteuerpflichtig sei, aus mehreren Gründen unzulässig: aa) Zunächst darf der Vertragsarzt ärztliche Verordnungen nur in eingeschränktem Umfang ausstellen. Er ist an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden. Wenn der Arzt sich in diesem Sinne darauf beschränkt, das Notwendige zu verordnen, so ist der Patient, der aus der Behandlung entlassen wird, noch nicht gesund: ihm ist sogar anzuraten, auf eigene Kosten weitere therapeutische Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Dort, wo sich Patienten dies leisten können, geschieht dies bereits heute. bb) Viele Physiotherapeuten behandeln inzwischen Patienten im Direktzugang, weil sie eine Erlaubnis als eingeschränkter Heilpraktiker erhalten haben. Da die Heilpraktikerleistungen generell ebenso wie die der Ärzte umsatzsteuerbefreit sind, gilt dies auch für die Leistungen der eingeschränkten Heilpraktiker. Mindestens dann, wenn ein Physiotherapeut auch über die eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis verfügt, sind die von ihm vorgenommenen Anschlussbehandlungen also umsatzsteuerfrei. In diesem Zusammenhang sind die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.8.2009 (BVerwG 3 C 19.08 - Physiotherapeuten) und vom 28.10.2009 (BVerwG 3 B 39.09 – Masseure/med. Bademeister) von besonderer Bedeutung: Für den Bereich der Physiotherapeuten hat das BVerwG erklärt, dass ihnen generell für den Direktzugang nur wenige Aus-, Fort- oder Weiterbildungsstunden fehlen. In der Diskussion zwischen den Landesgesundheitsministerien ist von 28 bis 56 Unterrichtseinheiten (UE) die Rede; hiermit soll sichergestellt werden, dass Physiotherapeuten, die ohne ärztliche Verordnung behandeln, für den von ihnen ausgeübten Tätigkeitsbereich ebenso wie die Heilpraktiker keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen. Es handelt sich also um reine Überlegungen zur Gefahrenabwehr. Diese sind aber im Steuerrecht völlig unerheblich. Es geht nicht um das Wie und die Qualität der Leistungserbringung, sondern das Ob. Von daher ist die ärztliche Verordnung kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal zwischen Therapiemaßnahmen einerseits und Wellnessmaßnahmen andererseits. Dies wird besonders deutlich durch die Entscheidung des BVerwG für den Bereich der Masseure/med.Bademeister. Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die therapeutische Tätigkeit dieser Berufsgruppe ohnehin keine Gefahr für die Volksgesundheit im Sinne der Gefahrenabwehr nach dem Heilpraktikergesetz darstellen kann, sodass der Direktzugang jederzeit möglich ist. Damit ist aber keineswegs die Feststellung verbunden, dass therapeutische Massagen, die ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden, dem Wellnessbereich zuzurechnen sind. 5. Es bleibt die Frage, wo die Grenze zwischen „Prävention und Selbsthilfe“ gemäß § 20 SGB V einerseits und der Therapie im weiteren Sinne andererseits zu ziehen ist. a) § 20 SGB V spricht zwar in der Überschrift generell von „Prävention“, meint aber ausschließlich die Primärprävention, wie sich aus Abs. 1 Satz 2 ergibt. Unter Primärprävention versteht das Gesetz „Leistungen, die den „allgemeinen Gesundheitszustand verbessern“ und soziale Benachteiligungen ausgleichen. b) Maßnahmen der Sekundär- und Tertiärprävention sind von § 20 SGB V nicht erfasst. Die Sekundärprävention – auch Früherkennung genannt – hat zum Ziel, Erkrankungen in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen, sodass durch eine entsprechende Therapie das Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden kann. Auch eine vollständige Heilung ist möglich (z.B. Übergewicht, Bluthochdruck, Rücken- und Gelenkbeschwerden). Ist eine Erkrankung bereits eingetreten, so werden Maßnahmen der Tertiärprävention eingesetzt, um die Entwicklung von Komplikationen zu verhindern, eine Chronifizierung zu vermeiden oder hinauszuzögern beziehungsweise das Wiederauftreten der Erkrankung (z.B. zweiter Bandscheibenvorfall) zu verhindern. Damit sind diese Maßnahmen eindeutig der Therapie im weiteren Sinne zuzurechnen und als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Die fachlich gebotenen und in der Medizin unstreitigen Bewertungen sind bisher bei den Finanzbehörden noch nicht ausreichend bekannt. Der ZVK hat zu diesem Thema das Gespräch mit den Finanzbehörden und der Politik auf Bundes- und Landesebene aufgenommen. Wir werden weiter berichten.