Angemessene Vergütungen auch im Heilmittelbereich - sind Schiedsverfahren die Lösung?
2,5 Mia. Euro, so BM Schmidt, müssten es schon sein, um auch weiterhin die flächendeckende Versorgung mit qualifizierter ärztlicher Therapie in den niedergelassenen Praxen sicherzustellen. Und so kam es. Prof. Wasem als Schlichter folgte einem entsprechenden Vorschlag der KBV, und die Ärzte sind - nach kleineren regionalen Anpassungen - mehr oder weniger zufrieden. Dies gilt vor allem für die Ärzte in den neuen Bundesländern, deren Honorare nun in etwa das Niveau der alten Bundesländer erreicht haben, brachte aber letztlich auch für die Ärzteschaft im Ganzen fühlbare Honorarverbesserungen.
So weit, so gut. Aber stehen die Heilmittelerbringer Land auf, Land ab nicht vor demselben Problem, das für die Ärzte soeben gelöst worden ist? 13 Jahre Nullrunden im Primärkassenbereich von Berlin, das ist nur ein Beispiel von vielen. Die Heilmittelerbringer in den neuen Bundesländern z.B. müssen zu Honoraren arbeiten, die nahezu 20% niedriger liegen als in den alten Bundesländern. Von daher war es nicht überraschend, dass schon die erste Fragestellerin in der Eröffnungsdiskussion des Hauptstadtkongresses am 4./6. Juni 2008 Bundesgesundheitsministerin Schmidt auf den Punkt fragte: Wie steht es um Honoraranpassungen für die Physiotherapeuten in den neuen Bundesländern? Diese Frage, dieser Tag wird in die Geschichte der Heilmittelerbringer eingehen. Denn die Ministerin bekannte sich offen zur Verantwortung ihres Hauses, auch für den Heilmittelbereich eine Lösung zu finden, die der für die Ärzte nicht nachsteht.
Nun ist es soweit: Am 24.11.2008 war u.a. die Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände (BHV) e.V. zu einer Anhörung des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag geladen, weil im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes (KHRG) auch § 125 SGB V, der bisher keine Schiedsregelung vorsieht, auf dem Prüfstand steht. Die Anhörung der BHV scheiterte zwar an diesem Tag ganz unerwartet an einem formalen Einspruch der FDP. Die Koalition hat sich aber am 11. Dezember 2008 über die unterschiedlichen Standpunkte der beiden großen Fraktionen zum KHRG beraten und Einvernehmen erzielt; in diesem Zusammenhang wurde auch der Änderungsantrag verabschiedet, der Schiedsregelungen für Vertragspreise im Heilmittelbereich über eine Novellierung des § 125 Abs. 2 SGB V einführen soll. Auch wenn der GKV Spitzenverband sich noch mit Schreiben vom 02.12.2008 gegen die geplante Schiedsregelung für Vertragspreise im Heilmittelbereich gewandt hat, konnte diese Stellungnahme die Koalition nicht umstimmen.
Was ist nun unter einer Schiedsregelung konkret zu verstehen? Ganz einfach: Einigen sich die Vertragspartner, d.h. die Krankenkassen einerseits und die Berufsverbände der Leistungserbringer andererseits, nicht auf eine Anpassung der Vertragspreise, dann ist es Aufgabe einer unabhängigen Schiedsperson, angemessene Preise festzulegen. Dies ist genau dasselbe Modell, wie es bei den Ärzten zum Erfolg führte. Es gibt deshalb keinen vernünftigen Zweifel, dass eine Schiedsamtslösung in den „Diasporagebieten“ wie Berlin und den neuen Bundesländern genau das richtige Instrument ist, um endlich eine längst überfällige Honoraranpassung herbeizuführen, und sei es in mehreren Schritten. Zwar ist auch die Schiedsperson grundsätzlich an das Limit der Grundlohnsummenentwicklung (§ 71 Abs. 2 SGB V) gebunden; hiervon gibt es aber Ausnahmen, an denen sich die Aufsichtsbehörden ohne weiteres orientieren, wenn dies dem politischen Willen entspricht.
In den klassischen Vertragsgebieten in den alten Bundesländern gilt diese positive Einschätzung allerdings nicht so ohne weiteres. Es gibt auch Schatten. Denn auch die Krankenkassen können sich etwas von Schiedsverfahren versprechen, weil auch in Schiedsverfahren das Ziel der Beitragsstabilität gilt und deshalb nicht nur die Kosten-, sondern auch die Mengenentwicklung zu berücksichtigen ist. Alle Berufsverbände werden deshalb erst in einigen Jahren wissen, ob die Schiedsregelung als Konfliktlösungsmechanismus die Erwartungen erfüllt hat, die der gesamte Heilmittelbereich an sie knüpft.
Ohne Risiko geht es auch in der Politik nicht. Die BHV hat sich deshalb klar für die Einführung einer Schiedslösung ausgesprochen. Sie wird die Politik insoweit an deren eigenem Anspruch messen, nämlich dem Ziel, mit einer Schiedsregelung endlich flächendeckend eine angemessene Vergütung der Leistungen im Heilmittelbereich zu erreichen.
Heinz Christian Esser
Geschäftsführer