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29.05.2007 – Bundesverband

Kassen geben Millionen für Gesundheitsreisen aus

Im härter werdenden Wettbewerb entdecken die Krankenkassen zunehmend Urlaubsreisen als Marketinginstrument zur Kundenbindung

Nordic Walking auf Rügen, Vier-Sterne-Aqua-Gymnastik auf Mallorca, Rückenschule in der Therme nahe Venedig: Im härter werdenden Wettbewerb versuchen immer mehr Krankenkassen mit so genannten "Gesundheits- oder Aktivwochen" mit bezuschussten Urlaubsangeboten im In- und Ausland Versicherte zu gewinnen oder zu halten. Bei Ärzten stößt dieses Marketing-Konzept auf Widerspruch.

Gesundheitsreisen liegen im Trend. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen sich GKV-Versicherte mit Bauchtanzkursen abspeisen lassen mussten, um in Form zu kommen. Ärzte reagieren mit Unverständnis auf die Angebote: "Den Patienten wird eine Vollkaskoversorgung vorgegaukelt. Auf der anderen Seite müssen wir Patienten erklären, dass diese oder jene Therapie aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht verschrieben werden darf", sagt etwa Dr. Gernot Nick.

Gesundheitswochen mit der Gmünder

Wie funktioniert das Kassen-Konzept? Ein anschauliches Beispiel liefert die Gmünder Ersatzkasse (GEK) mit ihren "Gesundheitswochen". Grundlage für die Urlaubswoche mit Kassenzuschuss ist der Paragraf 20 SGB V. In ihm schreibt der Gesetzgeber den Kassen vor, den "allgemeinen Gesundheitszustand" ihrer Mitglieder zu verbessern. Dabei müssen die Kassen ihren Versicherten Präventionsangebote in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung machen. Und das unabhängig davon, ob die Kurse wohnortnah oder als Teil einer Urlaubsreise stattfinden, argumentieren die Kassen - und betätigen sich zunehmend als Reiseanbieter.

Bis zu 200 Euro pro Urlaubswoche schießt die GEK ihren Mitgliedern für den Kurzurlaub mit Präventionsprogramm zu. Dabei werde nur der Kurs selbst von der Kasse finanziell gefördert, betont GEK-Sprecher Gerhard Heussler. "Reisen in ein gesundes Leben - Gesundheitswochen 2007" lautet etwa das Motto des 30-seitigen aktuellen Katalogs, mit dem die GEK und der Reiseveranstalter werben.

Unterwegs mit Dr. Holiday

Letzterer heißt sinnigerweise Dr. Holiday und ist nach eigenen Angaben die Nummer eins bei Präventionsreisen. Er arbeitet auch mit der Techniker Krankenkasse, der KEH und der HZK zusammen.

Außer der GEK, TK, KEH und HZK haben auch weitere Kassen Gesundheitswochen im Programm. So bietet die Bayer BKK ihren Versicherten Zuschüsse von bis 160 Euro. Die AOK Baden-Württemberg zahlt ihren Versicherten bis zu 150 Euro und kooperiert dabei mit dem Reiseanbieter Dertour. Allerdings, so Christine Richter vom BKK-Bundesverband, sollte die Teilnahme an Präventionskursen im Urlaub die Ausnahme darstellen.

Bei den GEK-Gesundheitswochenkostet eine Woche im Doppelzimmer des Dreisterne-Plus-Hotels Hotel Milano vor den Toren Venedigs je nach Reisedatum zwischen 469 Euro und 536 Euro.

185 Euro Zuschuss für Yoga-Kurse

Der Zuschuss für die Teilnahme an fünf Aqua-Relax-Einheiten sowie drei Yoga-Kursen beläuft sich auf 185 Euro. Bleiben unterm Strich noch 284 Euro bis 351 Euro, die der Versicherte aus eigener Tasche bezahlen muss.

Eine Familie mit zwei Kindern im Alter von fünf bis 14 Jahren zahlt im Juli für die Woche im Dreisternehotel Parkhotel Serena am Strand von Rimini statt 1528 Euro nur 918 Euro. Besonderes Highlight für die Kinder: drei Gymnastikkurse am Strand. An den Werktagen werden die Kinder vormittags betreut.

An Komfort wollen es GEK und Co. nicht fehlen lassen: Der Zuschuss wird unbürokratisch vom Reisepreis abgezogen, Dr. Holiday rechnet mit der GEK direkt ab. So muss der Versicherte seinem Geld nicht erst hinterherlaufen. Reiseanbieter und Kassen sehen in den Präventionswochen jedenfalls keine Einladung zum Wellness-Trip auf Kosten der Allgemeinheit. Immerhin "opfere" der Urlauber eine Woche seines hart erarbeiteten Jahresurlaubs, meint Dr. Holiday.

Quelle: Ärzte Zeitung