Kinderärzte: Regressforderungen sollen Mediziner einschüchtern
Frankfurt (dpa) Zahlreiche hessische Ärzte sollen Geld an die Krankenkassen zurückzahlen, weil sie nach Ansicht einer Prüfungsstelle zu häufig Heilmittel wie Krankengymnastik verordnet haben. Nach Darstellung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vom Dienstag geht es dabei "teilweise um fünfstellige Beträge". Rund 1100 hessische Mediziner hätten in der vergangenen Woche Briefe erhalten, in denen Regresse angedroht wurden. Das seien rund zehn Prozent der niedergelassenen Ärzte und Therapeuten im Land, sagte KV-Sprecher Karl Roth.
Es geht um die Verordnung von sogenannten Heilmitteln wie Massagen, Krankengymnastik, Logopäden-Stunden und Ergotherapie aus dem Jahr 2005. Die Ärzte verordnen solche Therapien und sind damit finanziell verantwortlich, obwohl die Therapeuten die Leistungen in Rechnung stellen. Zuständig für die Anerkennung solcher Verordnungen ist ein Prüfungsausschuss, der zu Hälfte mit Vertretern der KV und der Krankenkassen besetzt sind. Der Ausschuss hatte zahlreiche Heilmittel-Verordnungen moniert.
Das Bundesgesundheitsministerium habe darauf gedrängt, die Briefe jetzt zu versenden, weil sie sonst verjährten, teilte die KV mit. Die Vereinigung hält die Rückforderungen - obwohl selbst daran beteiligt - zum Teil für nicht gerechtfertigt. Die Krankenkassen hätten keine harten Zahlen vorgelegt, um ihre Forderungen zu untermauern. «Es ist ein Unding, dass die Krankenkassen auf der einen Seite belastbare Daten schuldig bleiben, auf der anderen Seite aber Regresse einfordern und damit leichtfertig Existenzen aufs Spiel setzen», schreibt die KV.
"Wir verordnen diese Therapien nach unserem medizinischen Urteil", sagte Christian Walter, Vorsitzender des "Paednetz" Frankfurt und Umgebung, einer Vereinigung von rund 100 Kinderärzten, der dpa. "Wir können doch Patienten notwendige Therapien nicht verweigern - das wäre unterlassene Hilfeleistung." Die Regressforderungen sollen aus Sicht des Kinderarzt-Netzwerks Mediziner "einschüchtern". Die höchste ihm bekannte Forderung belaufe sich auf 200 000 Euro.
"Das hat es in Hessen noch nie gegeben, dass Ärzte für die Verordnung von Heilmitteln in Regress genommen worden", sagte Walter. Würden die Forderungen tatsächlich eingetrieben und Kinderärzte abgeschreckt, künftig Heilmittel zu verordnen, träfe das vor allem Kinder aus sozial schwachen Schichten, die derartige Hilfen häufiger nötig hätten, sagte Walter.
Quelle: Frankfurter Neue Presse