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14.04.2005 – Bundesverband

Kürzung im Gesundheitswesen

Sind jetzt künstlich Ernährte dran?
Gegen die angekündigte Streichung von künstlicher Ernährung für schwer kranke Kassenpatienten hat sich Widerstand formiert. Eine Reihe von Patientenorganisationen, darunter die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Parkinson Vereinigung, protestierten gegen die geplante Kürzung des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und forderten die Bundesregierung auf, die entsprechenden Pläne der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen abzulehnen. \"Für Kürzungen im Gesundheitswesen habe ich generell wenig Verständnis, aber Schwerkranke sind dafür nun wirklich das denkbar ungeeignetste Objekt\", kritisierte Dr. Ekkehard Bahlo, Vorstandsmitglied von \"Recht auf Essen und Leben e.V.\". Die Organisation setzt sich krankheitsübergreifend für die Interessen künstlich ernährter Patienten ein. Hintergrund der Proteste ist ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, in dem Ärzte und Krankenkassen den Leistungsumfang der GKV festlegen. Nach der geänderten Arzneimittelrichtlinie 20.l.i soll demnach einem großen Teil der Patienten, die zu Hause oder in Heimen versorgt werden, unabhängig von der Schwere ihrer Erkrankung die medizinisch-notwendige Trink- oder Sondennahrung gestrichen oder nur dann noch erstattet werden, wenn äußerst eng gefasste Kriterien erfüllt sind. Der Beschluss mit seinem Kriterienkatalog umfasst vierzig Seiten und liegt derzeit zur Prüfung beim Bundesgesundheitsministerium. Angesichts der Kritik betonte das Ministerium, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlassene Richtlinie regele die Verordnungsfähigkeit von enteraler Ernährung in der ambulanten (vertragsärztlichen) Versorgung. Die Versorgung mit enteraler Ernährung im Krankenhaus werde durch die Richtlinien nicht berührt. \"Die enterale Ernährung ist und bleibt Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung.\" Monika Boeckmann, Sprecherin der Selbsthilfeorganisation \"Eltern mit neurologisch kranken und behinderten Kindern e.V.\" sieht dies allerdings anders. \"Patienten, wie mein behinderter Sohn, fallen bei diesen Kriterien durch. Sie können nämlich noch schlucken und erfüllen damit - obwohl sie auf natürlichem Wege nicht genügend Kalorien aufnehmen können - nicht mehr die Kriterien für die Erstattung von Trink- und Sondennahrung.\" Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Professor Dr. Berthold Koletzko, wies darauf hin, dass ein befriedigender Ernährungsstatus die Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist. \"Mangelernährte Patienten erholen sich langsamer, erleiden häufiger ernste Komplikationen und sind stärker pflegebedürftig.\" Ein niedergelassener Arzt sei kaum in der Lage, das komplizierte Regelwerk anzuwenden. Er müsse befürchten, für eventuelle Fehler in Regress genommen zu werden. \"Der Verdacht liegt nahe, die Ärzte sollen verunsichert und dadurch von Verordnungen abgeschreckt werden\", betonte Bahlo. Er forderte das Bundesgesundheitsministerium auf, seine bisherige patientenfreundliche Haltung beizubehalten und die Neufassung der Arzneimittelrichtlinie 20.1.i erneut zurückzuweisen.