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14.12.2005 – Bundesverband

plusminus - Gefühlte Inflation - Sendung vom 13.12.2005 Der ARD-Bericht führt in die Irre

Der Bericht in plusminus am 13.12.2005 zum Thema „Gefühlte Inflation“ greift ein wichtiges Thema auf, das die Verbraucher beschäftigt. Umso bedauerlicher ist es, dass als „Preistreiber Nummer 1 ... die Krankengymnastik und Physiotherapie mit 73,5% Preissteigerung“ im Zeitraum 2000 bis 2005 (61,6% 2000 bis 2004) genannt sind.
Denn hier wird der Verbraucher gründlich irregeführt, weil nicht unterschieden wird zwischen anbieterbeeinflussten Preiserhöhungen einerseits (z.B. im Warenkorb Einzelhandel) und staatlich veranlassten Preiserhöhungen (z.B. Mineralölsteuer) bzw. Patientenbeteiligungen durch Zuzahlung im Gesundheitswesen anderseits. Im Einzelnen:
  • Unstreitig ist, dass die mit der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbarten Behandlungsgebühren der Physiotherapeuten Zeitraum 2000 bis 2005 lediglich um weniger als 2% im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen gestiegen sind; Ausreißer nach unten sind z.B. die Primärkassen in West-Berlin, weil die Gebühren dort seit 1996 gar nicht mehr erhöht wurden.
  • Preistreiber Politik: Für den Verbraucher, der nicht zuzahlungsbefreit ist, sieht die Sache allerdings anders aus: Hier gab es eine deutliche Erhöhung der Zuzahlungen, mit denen der Patient an den Behandlungskosten beteiligt wird.
  • Konkrete Zahlen: Der Durchschnittswert der physiotherapeutischen Heilmittelverordnungen liegt in den neuen Bundesländern bei etwa EUR 95, in den alten Bundesländern bei etwa EUR 125. Von 1997 bis 2003 betrug die Zuzahlung der Patienten 15% der Rezeptwert; seit dem 01.01.2004 (Inkrafttreten des GMG) muss der Patient EUR 10,00 je Rezept zzgl. 10% des Rezeptwertes selbst zahlen.

    Bei dem Durchschnittsrezeptwert von EUR 95,00 bzw. EUR 125,00 beträgt die Zuzahlung der Patienten seit dem 01.01.2004 also für die
    • neuen Bundesländer EUR 10,00 + EUR 9,50 = EUR 19,50 bzw.
    • alten Bundesländern EUR 10,00 + EUR 12,50 = EUR 22,50.
    Bis zum 31.12.2003 hat die Zuzahlung der Patienten bei dem Durchschnittsrezeptwert in den
    • neuen Bundesländer (15% von EUR 95,-) = EUR 14,25 bzw.
    • alten Bundesländern (15% von EUR125,-) = EUR 18,75.
    betragen.

    Zum 1.1.2004 erhöhte sich die Zuzahlung der Versicherten in den neuen Bundesländern um knapp 37% (von EUR 14,25 auf EUR 19,50) und in den alten Bundesländern um 20% (von EUR 18,75 auf EUR 22,50). Von dieser erhöhten Zuzahlung erhält der Therapeut jedoch keinen Cent; die Zuzahlung steht komplett der Krankenkasse zu.
  • Durch die Vorgaben des Heilmittelkataloges ergibt sich für den Patienten eine weitere strukturelle Kostenerhöhung. Denn in der Vergangenheit konnten je Rezept durchschnittlich bis zu 10 Anwendungen verordnet werden; die Obergrenze liegt seit dem 1.1.2004 in der überwiegenden Zahl der Fälle bei 6 Anwendungen. Der Patient, der im Laufe der Behandlung nun mehr Verordnungen benötigt für die gleiche Zahl von Anwendungen, muss entsprechend häufiger die eine Rezeptgebühr entrichten.
FAZIT: Die Kosten für die physiotherapeutischen Behandlungen sind mit 2% deutlich geringer angestiegen als der durchschnittliche Preisanstieg seit 2000 bei allen Produktgruppen von 9,1%. Die Krankenkassen sind es, die deutlich stärker in die Tasche der Patienten greifen, ohne dass davon ein einziger Cent zusätzlich bei den Physiotherapeuten landet. Beide Komponenten zusammen erklären die von plusminus genannten Preissteigerungen bei weitem nicht. Diese Botschaft hat plusminus leider unterschlagen; wir werden alles tun, damit plusminus dieses Missverständnis aufklärt. Heinz Christian Esser Geschäftsführer