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19.10.2005 – Bundesverband

Zunehmende Ökonomisierung gefährdet die menschliche Zuwendung in unserem Gesundheitswesen

Bündnis 2000 bezieht Stellung - ZVK unterstützt die Forderungen in vollem Umfang
Gegen die geplante Gesundheitsreform 2000 formierte sich 1999 ein Zweckbündnis von 37 Verbänden und Organisationen im Gesundheitswesen: Das Bündnis 2000. Über den reinen Protest hinaus entwickelte sich das Bündnis zunehmend als eine politische Kraft, die auch nach den vielen gemeinsamen Aktionen im Jahr 1999 weiterhin für eine offene und ehrliche Diskussion über die notwendigen Finanzmittel im Gesundheitswesen wirbt. Die im Mai 2000 veröffentlichten \"Eckpunkte für ein patientengerechtes Gesundheitswesen\" gingen weit über eine bloße Analyse des Status quo hinaus. Das Papier zeigte in zehn Thesen Lösungswege für eine am Versorgungsbedarf der Bevölkerung orientierte Weiterentwicklung des Gesundheitswesens auf. Dem folgte das „Positionspapier der Gesundheitsberufe für ein patientengerechtes Gesundheitswesen“ vom 12. September 2002. Die daraus resultierenden Forderungen sind nach wie vor aktuell und die der ZVK als Mitglied des Bündnisses nur vehement unterstützen kann. Abbau bürokratischer Reglementierungen Der zunehmende Verwaltungsaufwand lässt Behandlungszeit zu Verwaltungszeit werden. Maßstab einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung muss deshalb wieder die Professionalität der Gesundheitsberufe werden. In diesem Sinne fordert das Bündnis Gesundheit 2000, bürokratische Reglementierungen im Gesundheitswesen radikal abzubauen und insbesondere auf eine weitere „Vernormung von Behandlungsabläufen“ zu verzichten. Rationierung von Leistungen beenden Der vom Gesetzgeber ausgeübte Kostendruck gefährdet zunehmend die Qualität der Versorgung und leistet dem Trend zur „Behandlung im Minuten-Takt“ enormen Vorschub. Nicht der Bedarf, sondern die finanziellen Rahmenbedingungen bestimmen den Umfang und die Intensität der Versorgung. Leistungen spielen unter diesen Vorgaben nur eine Rolle als Kostenfaktor, sie sind rationierbar und werden rationiert. Das Bündnis Gesundheit 2000 fordert deshalb eine Finanzierung, die sich am medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Bedarf orientiert sowie ein quantitatives und qualitatives Berichtssystem für alle Gesundheitsberufe, um ausreichend qualifiziertes Personal in allen Versorgungsbereichen sicherzustellen. Qualität sichern, Qualitätsstandards setzen Oberstes Primat der Gesundheitsberufe muss sein, sich an den Patientenbedürfnissen zu orientieren. Daher deren hohe Bereitschaft zur Weiterqualifizierung und Fortbildung, um die Patienten optimal behandeln und versorgen zu können. Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Behandlung ist nur durch die Erhaltung dieser Fachkompetenz möglich. Allerdings wird durch die immer stärkere Ökonomisierung des Gesundheitswesens vor allem im stationären Bereich am Personal gespart: Erforderliche Stellen werden nicht neu geschaffen, vorhandene abgebaut. Dies zeigt auch deutlich die Statistik der arbeitslosen Physiotherapeuten in Deutschland. Arbeitslose Physiotherapeuten in Deutschland Im 1. Halbjahr 2005 sind bereits fast 6 000 Physiotherapeuten arbeitslos, Tendenz steigend. Fachkompetenz und menschliche Zuwendung gehen somit verloren. Es kommt zu einer immer stärker werdenden Deprofessionalisierung. Qualitätssicherung kann so nicht realisiert werden. Verträge, die im Rahmen der Integrierten Versorgung geschlossen werden, müssen primär am Bedarf des Patienten ausgerichtet sein und dürfen nicht ausschließlich nach ökonomischen Erwägungen abgeschlossen werden. Das Bündnis Gesundheit 2000 fordert daher, dass Professionalität und Qualität der Behandlung den von den Gesundheitsberufen gesetzten Standards entsprechen. Dies gilt insbesondere auch für die neuen Versorgungsmodelle. Abbau der Verschiebebahnhöfe Die gesetzliche Krankenversicherung wird immer wieder durch politische Entscheidungen mit Ausgaben belastet, die mit den grundsätzlichen Aufgaben der GKV nichts zu tun haben. Das Bündnis Gesundheit 2000 fordert daher den Abbau der „Verschiebebahnhöfe“ und die Herausnahme versicherungsfremder Leistungen im weiteren Sinn aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Abschaffen der Grundlohnsummenbindung Durch die gesetzlich vorgegebene Bindung der Vergütung an die allgemeine Grundlohnsummenentwicklung haben viele Leistungserbringer in den letzten Jahren unfreiwillige Sonderopfer zur Stabilisierung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht. Ein Großteil der Praxen hat finanziell mittlerweile das Ende der Fahnenstange erreicht. Ein Wegfall der Grundlohnsummenbindung würde daher nicht nur der Notwendigkeit einer angemessenen Vergütung der Gesundheitsberufe Rechnung tragen, sondern mithelfen, zweifelsfrei vorhandene Beschäftigungspotentiale im Gesundheitswesen zu heben. Das Bündnis Gesundheit 2000 fordert daher die Abschaffung der Grundlohnsummenbindung. Der komplette Artikel erscheint in den „Mitteilungen des Zentralverbandes“ (ZVK) e.V., Ausgabe November 2005